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Der Trauschein

 

von Ephraim Kishon

Am Sonnabend nach Himmelfahrt 2004 feierte die Inselbühne Baltrum ihre zweite Premiere in dieser Saison: "Der Trauschein" von Ephraim Kishon" wurde auf der Insel erstmalig aufgeführt. Zwischen dem dramatischen Stück "Das Feuerschiff" von Siegfried Lenz (eine Uraufführung der Inselbühne im vergangenen Jahr) und der turbulenten Komödie "Cyrano in Buffalo" haben die Aktiven mit dem Trauschein genau das passende Stück zur Komplettierung des Trios ausgesucht: witzig, hintergründig, tiefgehend, nachdenklich machend, aber mit einem Augenzwinkern nicht zu ernst werdend - kurz, sie haben Kishons Stück meisterlich umgesetzt. Das Publikum vor beinahe ausverkauftem Hause hat es ihnen mit viel anerkennendem Applaus gedankt.

 

 

Vicky ist Psychologiestudentin und möchte heiraten. Statistiker Robert aber liebt die Ordnung - oder vielmehr, seine Mutter tut es. Daher ist der Trauschein der künftigen Schwiegereltern beim Rabbinat vorzulegen. Schwiegervater Daniel Brosowski hat seine Ella in Kibbuz-Zeiten geehelicht und sich später selbständig gemacht. Der Traum vom trauten Glück und Heim scheint aufgegangen zu sein - bis dieser verflixte Trauschein nicht aufzutreiben ist. Hat es ihn überhaupt gegeben?

 

 

Meisterleistung von Bühnenchef Jürgen Janßen: Er hat Regie geführt und gleichzeitig die Hauptrolle übernommen. Der gut situierte Klempnermeister Daniel Brosowski hat nicht immer laut dröhnend zu lachen: Seine Ehefrau Ella beginnt, die Ehe zu hinterfragen. Bärbel Nannen verkörpert die Nuancen von kleinem Glück und schmerzlicher Enttäuschung enorm einfühlsam und mitfühlend. Man kann es ihr nicht verdenken, wenn sie die Koffer packen will. Immerhin hat sie nicht nur für die Nachbarin Rose die Garderobe genäht und geändert. Und je kürzer deren Röcke werden, umso schamloser schmeißt sie sich an Robert heran. Anneliese Junker weiß die Sympathien des Publikums nicht auf ihrer Seite. Tapfer spielt sie die Zukurzgekommene und darf doch auch Hoffnungen zeigen.

Dafür werden die Blumensträuße des Bräutigams immer mickriger. Um den Trauschein aufzutreiben, wurde nämlich im Kibbuz angefragt, und ein junger bodenständiger, anpackender Kibbuzim alias Klaas Beck wirbelt kameradschaftlich die Gefühlswelt der sich so gerne korrekt gebenden Vicky durcheinander. Anke Fulfs zeigt die mehr und mehr aus ihrer bürgerlichen Starre erwachende junge Braut mit herzhaftem Charme. Der arme Robert! Gerd Klünder muss sich ernsthaft in die Rolle des Erbsenzählers versetzen und darf dabei auf die ordnende Mami im Hintergrund hoffen. Auf diese als Schauspielerin wartet man indessen vergebens. Und sie kann auch nicht verhindern, dass ihr Bub leer ausgeht, auch als der ominöse Trauschein doch noch auftaucht. Bis dahin nämlich haben sich die Gefühle der anderen wieder geordnet und hat zusammengefunden, was zusammengehört.

 

 

Bei diesem Stück zählen vor allem die Dialoge: die scharfsinnige Sprache, die tiefgründigen Sprüche, die satirischen Randbemerkungen. Die Insulaner verstehen ihr Handwerk! Auch die Bühne ist gelungen. Gerd Klünder hat das Wohnzimmer bei Brosowskis konzipiert und alle haben mitgeholfen, es "authentisch" zu gestalten. Man achte auf die Details! Stefan Moschner hat bei der Premiere für gutes Licht (oder eben für perfekte Dunkelheit) gesorgt, Anneliese Junker die wunderbare Pausenmusik ausgesucht, Grace Lüppen die passenden Kostüme gefunden. Martina Leißner war als Souffleuse zur Stelle und Marlies Alberring hat hinter den Kulissen gewirkt.

 

Sabine Hinrichs