Schöne Bescherungen -
Pfingstpremiere
der Inselbühne Baltrum
Man
kann ja nie früh genug mit den Vorbereitungen zu Weihnachten
anfangen..., dachte sich die Inselbühne Baltrum und wählte als drittes
Stück für die diesjährige Theatersaison 2005 auf der Insel den Zweiakter
"Schöne Bescherungen" von Alan Ayckbourn aus. Dass dieser zur
Weihnachtszeit spielt, ist jedoch nur nebensächlicher Hintergrund für
die Handlung: Das tägliche Leben, die Schicksale einzelner Personen und
ganzer Familien spitzen sich an solchen Daten eben einfach zu.
Sabine Hinrichs Fotos Bärbel Nannen |
Wer
kennt es nicht. Da sitzt die "bucklige Verwandtschaft" im
Wohnzimmer des Hausherren und hat nichts Besseres zu tun, als auf das
Essen, die Geschenke und andere Überraschungen zu warten und der Dinge
zu harren, die da hoffentlich bald eintreten, während sich die eine
oder andere Dame schweißbadend mit dem Essen oder der Ruhigstellung der
ebenfalls aufgeregten Kinder beschäftigt. Auf Unterstützung ist
seitens der Männerwelt nicht zu hoffen - die verdrückt sich lieber in
die Kneipe oder vor den Fernseher. Alan Ayckbourn stellt diese Situation
so überspitzt und humorvoll dar, dass dem Zuschauer nichts anderes
übrig bleibt, als herzlich zu lachen. So auch bei der Premiere am Pfingstsonntag 2005 auf Baltrum. Nevilles
Frau Belinda hat eigentlich alles im Griff, aber doch, es fehlt etwas.
Sie weiß nicht einmal genau, ob es die Liebe ihres Mannes ist oder
eigentlich wohl doch nur ein Hauch an Aufmerksamkeit und Mitgefühl.
Neville ist ein Tüftler und verkriecht sich aber lieber in technische
Pfriemeleien und seinen Schuppen. Peter Janßen weiß ihn absolut
authentisch darzustellen und spielt diesen netten Mann mit einer
Selbstverständlichkeit und Souveränität... Belinda an seiner Seite
ist in ihrem Wesen viel temperamentvoller und ungefestigter: Anke Fulfs
glänzt einmal mehr in einer nicht einfachen Rolle. Die
eheliche Harmonie ist auch bei Eddie und Pattie nicht gewiss. Der
glücklose Freund Nevilles eifert hinter diesem her, erreicht aber nicht
annähernd dessen geschäftliches wie auch sonstiges Geschick. Eddie hat
es auch mit seiner schwangeren und leicht reizbaren Frau Pattie (Sabine
Hinrichs) nicht leicht. Sven Exner fügt sich klaglos untergeben in sein
Schicksal und in die Rolle. Nevilles
Schwester Phyllis hat nicht nur ein kleines Alkoholproblem sondern auch
einen nicht ganz einfachen Mann. Sie gibt aber ihr Bestes zum Beitragen
des Festes, wie auch ihre Darstellerin Simone Ulrichs, die aus diesem
Charakter ein ganz reizendes Wesen zaubert. Gatte Bernard,
unglücklicher, zweifelnder und erfolgloser Arzt, will wie in jedem Jahr
die Kinder mit seinem Puppentheater beglücken und stellt sich dabei so
komisch an, dass nicht nur die Familie die Augen verdreht. Eike Junker
hat die Lacher auf seiner Seite, wenn er seinen Part grandios bis zur
Groteske hinspitzt. Onkel Harvey alias Gotthard Hagenström gibt den
drögen und zynischen Widerpart. Seine militaristischen Ambitionen
geraten ihm zuletzt jedoch zum Verhängnis. Belindas
Schwester Rachel hat bislang nicht viel Glück gehabt mit den Männern.
Mit der Einladung ihres neuen Freundes Clive zu dem Familienfest
übernimmt sie die Verantwortung für die Risiken, die ein solches
Unterfangen beinhalten kann. Anja Linn spielt die Rachel zwischen
Distanz und Hingabe mit einer wunderbaren Natürlichkeit ohne
Übertreibungen. Ja,
und dann kommt er endlich: Clive, (Jürgen Janßen) der lang ersehnte.
Und das Fest und die Familie gerät aus den Fugen.... Wie
sich letztlich alles fügt zeigt die Inselbühne Baltrum sehr
eindrucksvoll. Das wunderbare Stück von Ayckbourn hat Gesa Puls
inszeniert. Dass die Darsteller wie auch alle weiteren Beteiligten sich
jeder einzelne nicht nur gut in die Situationen und Stimmungen versetzen
können, sondern auch ein enormes Organisationstalent mitbringen, zeigt
die aufwändige Bühnengestaltung (Peter Janßen) und die Technik
(Hansjürgen Barow), die dahinter steht. Wenn nämlich der
Weihnachtsbaum anfängt zu blinken und blitzen, wenn die Musik in voller
Lautstärke losgeht, wenn die Geschenke sich vermeintlich selbständig
machen, muss alles stimmen. Das ist nicht nur äußerliches Zeichen,
dass es in der Familienidylle drunter und drüber geht. Souffleuse
Martina Leißner ist bei Textschwierigkeiten sofort zu Stelle. Grace
Lüppen hat die Kostüme ausgesucht. Bärbel Nannen ist für die Maske
zuständig. Es passt alles zusammen. Das Stück ist unbedingt sehenswert. Es ist keine gewöhnliche Geschichte mit Anfang, Höhepunkt und Happy End. Es sind die Einzelsituationen, die zu betrachten sind, zu belachen, zu beschmunzeln, die auch erschrecken und die auch nachdenklich machen. Man erkennt sich und manches wieder. Schöne Bescherungen! Und wie man mitten in das Geschehen hineingerät, so entlässt einen Alan Ayckbourn mit einem offenen und ungewissen Ausgang. Und die Inselbühne Baltrum ihre Zuschauer nach einem ausgesprochen unterhaltsamen Abend. Weitere Aufführungen finden statt am 1. Juni, 22. Juni, 13. Juli, 3. und 24. August, 14. September und am 5. Oktober 2005 jeweils mittwochs um 20.30 Uhr in der Turnhalle. Sondervorstellung: Mittwoch, 28. Dezember 2005 Karten gibt es an der Abendkasse und im Vorverkauf
bei Familie Ulrichs im Bücherwurm auf Baltrum (04939-282) zu 6 Euro,
Kinder (bis 14 Jahre) zahlen 3 Euro, Gruppen ab 15 Personen 4 Euro. |