„Die Schauspieler investieren viel Kraft“

Von Nele Diercks

Theaterspielen auf der Insel ist eine besondere Herausforderung. Der Leiter der Inselbühne Baltrum, Jürgen Janssen, hat eine motivierte Truppe, die jedes Jahr drei Stücke spielt.

Nele: Selbst in Reiseführern liest man, dass die Insulaner stolz auf ihre Inselbühne sind. Liegt es vielleicht daran, dass ausschließlich Laien von Baltrum zum Ensemble gehören?

Janssen: Ja,das können nicht alles Theaterspieler sein. Wir bemühen uns dann, Leute einzuweisen und zu trainieren. Die werden dann einfach da herangeführt.

Nele: Muss man dafür eine besondere Ausbildung haben?

Janssen: Nein, unsere Ausbildung ist das Üben und Probieren, dabei lernen wir.

Nele: Wann und wie oft wird geprobt?

Janssen: Es wird bereits im November angefangen, da werden die Stücke für die neue Saison eingeübt. Ein Stück wird wiederholt und zwei werden neu eingeübt. Das ist ganz viel Arbeit, monatelang müssen wir die Stücke einstudieren und um die Osterzeit werden sie uraufgeführt.

 

Nele: „Im letzten Jahr bei der Aufführung von Thornton Wilders „Unsere kleine Stadt“ war praktisch keine Kulisse vorhanden. Es gibt aber auch andere Stücke, die mit großem Aufwand ausgestattet werden. Wer entwirft und baut diese Bühnenbilder?

Janssen: Auch diese Arbeiten machen wir seit Jahren selbst. Es gibt ein paar Handwerker in unseren Reihen. Andere entwerfen die Bühne. Manchmal macht das aber auch gleich derjenige, der die Bühne baut. Unsere Leute haben das gelernt, indem sie es probiert haben.

 

Nele: Welche Möglichkeiten hat die Theatergruppe, hier auf der Insel an Requisiten zu kommen?

Janssen: Die Requisiten leihen wir uns zum Teil von Verleihfirmen. Kostüme kann man zum Beispiel bei einem besonderen Ausstatter in Dortmund beziehen. Manchmal kaufen wir auch oder wir schneidern selbst. Wir haben zwei Frauen, die schneidern können, die besorgen den Stoff und fertigen die Stücke so, wie wir sie brauchen.

Nele: Die Technik spielt auch eine wichtige Rolle. Wie läuft es hier vor und während einer Aufführung ab?

Janssen: Wir haben technische Geräte sowohl zur Beleuchtung der Bühne als auch für Geräusche. Gesteuert wird alles von einem Mischpult, das am Ende des Saales steht.

Nele: Es werden jede Saison drei verschiedene Stücke aufgeführt. Könnten Sie uns vielleicht verraten, was dieses Jahr gespielt wird?

Janssen: In diesem Jahr haben wir zwei neue Stücke. Da ist einmal „Cyrano in Buffalo“ von Ken Ludwig. Von diesem Schriftsteller stammt auch das Stück, welches wir letztes Jahr aufgeführt haben: „Otello darf nicht platzen“. Das neue Stück bringt wieder sehr viel Leben auf die Bühne, Slapsticks, Verwechslungen und ist ein komisches Stück. Das zweite ist Kishons „Der Trauschein“, auch eine Komödie, aber nicht ganz so vordergründig. Der Reiz liegt dort in den typischen Szenen einer Ehe. Die Streitigkeiten einer Ehe sind so dargestellt, dass man darüber schmunzeln kann. Das dritte Stück ist „Das Feuerschiff“ von Siegfried Lenz. Da haben wir alles selbst gemacht: das Drehbuch, die Kulissen, die Ausstattung der Bühne und die Requisiten. Es wurde kein Geld gebraucht und auch keine Hilfe von außen.

Nele: Nach welchen Überlegungen werden die Stücke ausgewählt?

Janssen: Das ist oft eine knifflige Frage, denn wir wollen mit diesen Stücken die Gäste auch ansprechen und einiges Geld für den Sportverein verdienen. Das Geld fließt nämlich in die gemeinsame Kasse des KSV. So müssen wir auch gewisse Kompromisse eingehen bei der Auswahl der Stücke, damit wir eine große Zuschauerzahl erreichen. Aber inzwischen sind wir so selbstbewusst, dass wir sagen, wenn ein Stück uns gut gefällt, dann können wir es so gut spielen, dass den Zuschauern das auch gefällt. Trotzdem gibt es immer wieder Diskussionen über die Auswahl der Stücke. Es gibt Kreise im Verein und in der Spielerschar, die möchten gern volkstümliche, deftige Bauernstücke spielen, in denen auch plattdeutsch vorkommt. Es gibt andere, die würden auch gerne mal ein anspruchsvolles Stück spielen. So haben wir das schon immer gemischt. Wir hatten zum Beispiel „Krach um Jolante“ oder richtig derbe Volksstücke. Daneben gab es „Unsere kleine Stadt“, ein sehr ernstes Stück oder ein sehr anspruchsvolles Stück von Arthur Miller: „Alle meine Söhne“. Damit haben wir immer eine Mischung aus leichteren und schwereren Stücken.

Nele: Genau wie in einem professionellen Theater müssen die Besucher Eintritt zahlen. Bekommen die Schauspieler davon ihre Gage oder was passiert mit dem Geld?

Janssen: Wie schon erwähnt, wird alles Geld, was durch Eintrittskarten und Getränke eingenommen wird, an die gemeinsame Kasse des KSV Baltrum überwiesen. Dort wird dann entschieden, was in die Theaterkasse zurückfließen kann. Aber nicht für die Schauspieler als Gage, sondern für die Bühne und ihre Gestaltung oder auch für eine etwas aufwändigere Theaterfahrt, die wir jedes Jahr machen. Damit honoriert der Verein, dass die Schauspieler sehr viel Kraft investieren und persönlichen Einsatz zeigen, um das Geld einzuspielen.

 

Nele: Sie werden dieses Jahr bestimmt wieder mit auf der Bühne stehen. In wie vielen Theaterstücken werden Sie mitspielen?

Janssen: Ich werde dieses Jahr in zwei Stücken mitspielen. Das erste ist: „Der Trauschein“. Da habe ich eine ziemlich große Rolle und ich muss es auch inszenieren, also die Regie führen. In unseren Reihen gibt es viele erfahrene Spieler, die dann tatkräftig mithelfen, so dass man nie alleine dasteht. Und in dem anderen Stück: „Das Feuerschiff“, da bin ich auch beteiligt. Sowohl mit dem Spielen als auch damit, die Regie zu führen. Ich habe ganz viele tüchtige Assistenten und Mitspieler.

Nele: Ist es denn nicht schwierig, zwischen mehreren Stücken schauspielerisch zu wechseln?

Janssen: Nein. Das fragen ganz viele Leute, weil man da auf die Idee kommen könnte, dass zwei verschiedene Rollen lernen ungefähr so ist, als würde man von einem Tag zum anderen zwei Gedichte lernen. Merkwürdigerweise gibt es dadurch keine Komplikationen. Ich weiß nicht, wie es wäre, wenn man für drei oder vier Stücke lernen müsste, aber Profis spielen ja auch in mehreren Stücken. Offensichtlich sind die Eigenarten der Texte so deutlich unterschieden in Situationen, die typisch zu den Stücken gehören, dass man niemals Sätze verwechselt.

 

Nele Diercks, Klasse 8 GHOS Baltrum

 

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Ostfriesenzeitung vom Donnerstag, 25. März 2004