Volpone

Osterpremiere der Inselbühne Baltrum

Mit großer Begeisterung feierte das Publikum in der ausverkauften Turnhalle am Ostersonntag die Premiere der Inselbühne Baltrum 2006. Mit viel Tempo, Witz und Spielfreude eröffnete die Inselbühne Baltrum ihre diesjährige Theatersaison mit einem bunten Schauspiel in guter alter Shakespeare-Tradition: "Volpone" - so heißt das neue Stück der Inselbühne. Ben Jonson, ein Zeitgenosse William Shakespeares, hat die Vorlage für die von Stefan Zweig adaptierte bitterböse Komödie um Geld und Gier, Sterben und Erben geliefert. Arnold Abram hat das zeitlose wie immer moderne Thema spritzig und frisch in Szene gesetzt.

Jürgen Janßen spielt den reichen Kaufmann Volpone im Venedig der Renaissancezeit, der noch in hohem Alter den Hals nicht voll genug bekommen kann von Geld und Gold - und darüber nur bemerkt, wer ihn beerben und bestehlen will, nicht aber einen möglichen Freund erkennt. "Lieblos" hat Stefan Zweig die Komödie denn auch nicht umsonst genannt. Schmarotzer Mosca (Torsten Moschner) entpuppt sich trotz seines liebenswürdig schelmischen Ausnutzens der von seinem Meister vorgeblichen Begünstigungen als "moderner" Robin Hood: Letztendlich ist er es, der all die Geier, Habichte und Krähen, die um den alten Volpone herum erbschleichen, vor dem allzu großen Geldgewinn zu bewahren versteht - freilich, indem er den schnöden Mammon selbst verwalten wird...

Der vorgeblich sterbenskranke Volpone (Jürgen Janßen) muss mit anhören, wie sein Schmarotzer Mosca (Torsten Moschner) dem alten Wucherer Corbacchio (Günter Tjards) dessen wahre Absichten aus dem Munde lockt (vlnr)

Mosca erfindet für seinen Herrn den Beweis der Niedertracht dessen angeblicher Freunde, indem er ihn sterbend stellt, bzw. gar verblichen. Da ist zum einen der Notar Voltier (Horst Unger), der vom baldigen Ableben des Volpones zu profitieren hofft. Da ist der alte, steinreiche Wucherer Corbacchio (Günter Tjards), der gar seinen eigenen Sohn Capitano Leone (Arnold Abram) kurzerhand enterbt, um an das Vermögen des Volpone zu kommen. Da ist der ach so eifersüchtige Kaufmann Corvino (Herbert Köhler), der seine züchtige Gattin Colomba (Sabine Hinrichs) dem Volpone bis ins Bett zuführt, um diesen dem Tode ein Stückchen näher zu bringen. Und da ist letztendlich die Kurtisane Canina (Petra Oestreich), die ihr Maß der Güte an der Höhe des zu erwartenden Vermögens ihres potenziellen Herrn ausrichtet. Keiner kann es abwarten, bis dass der Tod den geizigen Reichen dahinrafft. Und selbst der strenge Richter (Peter Janßen) ist bald von der Richtigkeit der Aussagen der zu Gericht versammelten Aasgeier überzeugt, indem er die richtigen Fragen zu stellen wusste. Da konnte der heldenhafte Capitano Leone, der die keusche Colomba vor dem Herrn Volpone mutig retten wollte, nichts direkt ausrichten - letztendlich haben alle nichts gewonnen, auch nicht der Oberste der Sbirren (Markus Neumann), der mehr Verwirrung denn Ordnung schafft. Nur der reiche Volpone, der versucht hat, all die Erbschleicher gegeneinander auszuspielen, um selbst von ihnen zu profitieren, hat alles verloren. Recht geschieht's ihm, hat das Publikum kein Mitleid, dass er sein Erbe quasi überlebt und fürderhin bettelarm leben muss.

Die Kurtisane Canina (Petra Oestreich) an des alten Mannes Bett: "Ach, und wie er schnarcht..."

Regisseur Arnold Abram hat mit dieser seiner ersten großen Inszenierung für die Inselbühne Baltrum gezeigt, dass er viel von seinem Handwerk versteht. Als ausgebildeter Schauspieler hat er den Vorschlag für das Stück gemacht und die Inszenierung in seine Hände genommen. Höhepunkt reiht sich an Höhepunkt dieser überaus kurzweiligen Geschichte. Viel Geschick bewies er bei der Besetzung der Rollen und hat mit dem Hinzugewinn neuer Mitspieler die Inselbühne um einige Charakterköpfe bereichert. Neben Petra Oestreich und Herbert Köhler gaben auch die Diener Kim Oestreich und Lena Klün ihr Debüt, sowie Agnes Ruwisch, die als Diener und als Souffleuse agierte. In bewährter Weise hat Bärbel Nannen für die bunten "Masken" gesorgt, hat Grace Lüppen die fantastischen venezianischen Köstüme entworfen und maßgeschneidert, hat Stephan Moschner für rechtes Licht und guten Ton gesorgt. Das Bühnenbild mit einem genialen zusammenklappbaren Fenster-Schrank-Tisch-Wand-Bett, das in den verschiedenen Szenen schnell auf offener Bühne zu einer neuen Kulisse umgebaut werden kann, wurde von Torsten Moschner erfunden und konstruiert.

Dieses Stück ist mit Sicherheit ein Highlight nicht nur in der Theatersaison 2006, sondern auch eines in der seit über 40-jährigen Theatertradition der Inselbühne dieser theaterbegeisterten Insel - immerhin: Mehr als 10% der Bevölkerung der kleinsten ostfriesischen Insel (rund 500 Einwohner) wirken bei der Inselbühne jedes Jahr mit - dies sei einmal am Rande bemerkt.

Weitere Aufführungen gibt es am 26. April, 10. Mai, 24. Mai, 21. Juni, 12. Juli., 2. August, 23. August, 13. September, 4. Oktober und 25. Oktober jeweils mittwochs um 20.30 Uhr in der Turnhalle auf Baltrum. Kartenvorverkauf im Bücherwurm (Tel.: 04939-282).

Eine zusätzliche Aufführung ist für den 17. Juni 2006 auf Norderney geplant.

Im Wechsel mit Volpone wird mittwochs bis Pfingsten der Trauschein von Ephraim Kishon aus dem Jahr 2004 wiederholt. Die nächste Premiere der Inselbühne Baltrum steht Pfingstsonntag mit "Acht Frauen" von Robert Thomas an, danach ist der Turnus im dreiwöchentlichen Wechsel für die Saison komplett.

Der trefflichste, der gütigste, der allerbeste Freund...

(Jürgen Janßen, Petra Oestreich, Herbert Köhler, Hordt Unger, Torsten Moschner und Günter Tjards im Gerichtssaal)

Sabine Hinrichs

Fotos Hinrichs

Gastspiel auf Norderney am 17. Juni 2006

volpone.pdf