Der ideale Gatte

von Oscar Wilde

Die Inselbühne Baltrum hatte das Kunststück vollbracht, nur knapp zwei Wochen nach der vorangegangenen mit „Der ideale Gatte“ von Oscar Wilde eine weitere Premiere auf die Bühne zu bringen.
Damit steht das Theaterprogramm für die Saison 2008, und im dreiwöchigen Turnus werden mit „Das Haus von Montevideo“ von Curt Goetz und „Lauf doch nicht immer weg!“ von Philip King drei wunderbare Stücke zu sehen sein. Glück hat, wer einen so langen Urlaub bucht und in den Genuss aller kommt. Denn unterschiedlicher und abwechslungsreicher könnte die Auswahl wieder einmal nicht sein.


"Der ideale Gatte" von Oscar Wilde hatte am 24. Mai 2008 Premiere auf Baltrum. Das Gesellschaftsstück
des bekannten englischen Autors ist trotz aller Ironie und Bissigkeit ein ganz bezauberndes. Es geht um Tugend und Moral, um Versuchung und Standhaftigkeit. Das etwas rätselhafte Geschehen versprüht einen eigensinnigen Charme, der vom ersten Aufzug an zu spüren ist. In nostalgischer Atmosphäre tritt die „feine“ Gesellschaft im Hause des einst durch einen kleinen Betrug zu Ansehen und Ruhm gekommenen Sir Robert Chiltern, Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt, in seiner Zwiegespaltenheit großartig dargestellt von Torsten Moschner, auf – als da wären: Der immer laute Earl von Caversham, Ritter des Hosenbandordens (in gewichtiger Rolle: Herbert Köhler) mit seinem cleveren, aber leider unverheirateten Sohn Lord Goring, der von Henning Kremer superbe in natürlicher Heiter- und Leichtigkeit gespielt wird; der Vicomte de Nanjac, Attaché bei der Französichen Botschaft in London, unverwechselbar, mit gebührender Ironie verkörpert von Sven Exner; Mr. Montfort, der gerne dazu gehören möchte und von Lars Klün in großer Pose daherkommt, um die Damenwelt zu ergötzen. Die schnatternde Schar der überkandidelten Freundinnen des Hauses werden sozusagen angeführt von Lady Markby, ganz Grande Dame: Bärbel Nannen. Die Herzogin von Basildon kommt im Doppelpack mit Mrs. Marchmont daher, die eine hat’s, die andere kann’s, herrlich und leider viel zu kurz präsent, zum ersten Mal auf der Bühne Anita Hochgrebe in bleu und wieder einmal Heike Lunk in pistache – die Kostüme wären allesamt eine eigene kleine Geschichte wert. Die Dame des Hauses, die untadelige Lady Chiltern, streng gesittet, tugendhaft, zunächst moralisch tragisch, dann zum Glück doch pragmatisch optimistisch: Anja Linn in bewährter Sicherheit, sie trifft auf Mrs. Chevely, die einst mit ihr zur Schule ging und durch einen kleinen Betrug aufflog und rausflog – in der englischen Gesellschaft dieser Klasse Ende des 19. Jahrhunderts undenkbar. Eke Seiffart spielt die schöne Intrigantin, die nichts gewinnt und alles verliert – dem Spiel auf der Bühne die Geschichte gibt und die Hauptakteure ins Schwitzen geraten lässt. Hübsches Detail: die Damen sorgen allzeit für frischen Wind mit ihren bunten Fächern. Zum Schluss gibt es ein Happy End. Die erquickend schnippische Schwester des Sir Robert Chiltern, Miss Mabel Chiltern mit schneller Zunge (noch ein Debut: Heike Kremer-Roolfs) angelt sich, na, wen wohl? Ja, ihren Ehemann, den idealen Gatten.
Es sind im Hause der Chilterns ein Butler zugegen, Mason, gespielt von Markus Neumann, und im Hause Lord Gorings der Diener Phipps, in der Doppelrolle: Lars Klün.
Auch die Souffleuse Carin Lutzen ist zum ersten Mal dabei – und nun kann sich die Inselbühne glücklich schätzen, so viele neue Schauspieler rekrutiert zu haben, vor allem auch „junge Liebhaber(innen)“. Doch damit nicht genug, auch die Hairstylistin, die es für die aufwändigen Frisuren der Damen bedurfte, ist neu dabei: Rebecca Wach. Bärbel Nannen hat mit geübter Hand die feinen Gesichtszüge der Damen und Herren hervorgehoben. Grace Lüppen hat die zauberhaften und schillernden Kostüme geschneidert und zusammengetragen – die meisten Akteure müssen sich ein paar Mal umziehen (Männlein wie Weiblein), spielt das Geschehen doch über mehrere Tage an verschiedenen Orten. Torsten Moschner hat dafür wieder ein superschnell umzuwandelndes Bühnenbild konstruiert, das mit seiner Leichtigkeit der Schwere des sich anzubahnen drohenden Dramas die Tragik nimmt. Petra Sparenborg leuchtet die Szenerie gekonnt aus und sorgt für den guten Ton.

Da hat Regisseurin Gesa Puls alle Arbeit geleistet, so viele unterschiedliche Charaktere im gespielten wie im wahren Leben unter einen Hut zu bekommen und diesem anspruchsvollen Stück einen ganz eigenen Charakter zu geben. Der geneigte Zuschauer ist eingeladen, sich in aller Ruhe dem Geschehen hinzugeben, um die feinen Nuancen in Sprache, Mimik und Gestik zu genießen und die Vielschichtigkeit der bildreichen Handlung auf sich wirken zu lassen.

Der nächste Aufführungstermin ist der 18. Juni, dann geht es weiter am 9. Juli, 30. Juli, 20. August, 10. September, und am 1. Oktober 2008 jeweils mittwochs um 20.30 Uhr in der Turnhalle. Karten gibt es im Vorverkauf im Bücherwurm zu 7 Euro, Kinder 4 Euro, Gruppen ab 15 Personen 5 Euro, oder an der Abendkasse ab 20.00 Uhr.


Sabine Hinrichs 
Foto(s): Hinrichs